Ford Escort RS Cosworth 4x4, Baujahr 1994

Wiedergeboren als Track Tool

04.08.2023 13:42 Uhr

Text: Nick K. Hofmeister I Fotos: André Neudert

Während heutzutage M-Sports mit ihren Ford Puma Hybrid1 in der World Rally Championship (WRC) um die Weltmeisterschaft fahren, gibt es für den eingefleischten Ford-Fan Mathias Lemke aus der schönen Lausitz nur einen waren Ford: den Escort RS Cosworth aus den 1990er-Jahren. Das wird auch so bleiben, schließlich hat Mathias schon den einen oder anderen Escort gefahren.

Heute hortet und fährt er einen kleinen Fuhrpark an verschärften Ford, wobei wir heute seinen jüngsten Escort RS Cosworth 4x4 vorstellen wollen. Das erste Auto prägt und so war es auch damals bei Mathias. Bis heute weiß er eigentlich nicht, warum seine Eltern ihm damals 2001 das grüne Licht gaben, sich nach bestandener Führerscheinprüfung einen gebrauchten RS2000 mit seinem schmalen Lehrlingsgehalt kaufen zu dürfen. 150 Serien-PS, kaum Gewicht und schon hatte sich das mit der Vernunft erledigt. Zum Glück. Schließlich sind für uns positiv Verrückte Autos viel mehr, um nur von A nach B zu fahren. Dass 150 PS mächtig Vorwärtsdrang in einem leichten Auto haben, hat Mathias in seinem eigenen Übermut schon zu spüren bekommen. Im ersten Winter küsste sein Ford eine Laterne. Der Escort wurde wieder flott gemacht. In dieser Zeit lernte Mathias auch den Chef der Mietwerkstatt RST Kfz-Selbsthilfewerkstatt in Cottbus kennen. „Bei Jens Ehrlich habe ich in den vergangenen 20 Jahren sehr viel in Sachen Ford Escort und darüber, wie man sich selbst hilft, gelernt", bedankt sich Mathias. „Bei der Reparatur meines RS2000 kam ich dann auch mit dem RS Cosworth in Berührung." Es wurde vom großen Performance-Escort der Grill eingebaut und seitdem baute Mathias immer weiter an seinem RS um. Über die Zeit lernte er die Truppe vom Escort Club Cottbus kennen und fuhr mit ihnen auf zahlreiche Treffen. Durch diese Kontakte begegnete Mathias auch immer mehr Ford-Schraubern. Über die Jahre erweiterte er seinen Fuhrpark mit Teilespendern und Winterautos. Nach der Lehrzeit und der Bundeswehr startete Mathias mit dem Traum vom Ford Escort RS Cosworth erst richtig durch.

Foto: André Neudert

Pleiten, Pech und Pannen

Wer sich einen Gebrauchtwagen kauft, kann manchmal riesiges Pech haben. So erging es auch Mathias. Er hat fleißig gespart, auf vieles verzichtet, um sich als Geselle seinen ersten Escort RS Cosworth kaufen zu können. „Mein erster Cossie war leider ein Griff ins Klo", sagt Mathias trocken. „Da hatte man mir tatsächlich einen versteckten Motorschaden untergejubelt. Ich zog vors Gericht und habe leider verloren, da ich dem Verkäufer die Arglist nicht nachweisen konnte." Schweren Herzens bezahlte Mathias dieses Lehrgeld, baute den Motor neu auf und verkaufte mit viel Frust im Bauch das Fahrzeug. Die nächsten Jahre hatte er dementsprechend die Nase vom Thema Ford Escort RS Cosworth voll und lenkte sich mit alten Escort RS Turbos aus den 1980er-Jahren ab. Von diesen Helden der Achtziger hat er tatsächlich noch zwei schöne Exemplare daheim in der Garage stehen. In den Jahren 2008 und 2009 baute Mathias einen dreitürigen Escort Mk3 Kombi auf. Später kam noch ein Ford Sierra Cosworth dazu und ein Mk4 Escort RS Turbo. „Den Turbo-Escort habe ich meinem Sohn geschenkt und zusammen bauen wir den auf, damit er, wenn er 18 Jahre wird, auch ein anständiges Auto hat", schmunzelt der Ford-Fan. Über die Jahre studierte Mathias noch Elektrotechnik und konnte sich durch seinen beruflichen Aufstieg auch wieder dem Projekt seines Traumwagens widmen. 2015 war es so weit. Damals fand er einen bezahlbaren Ford Escort RS Cosworth. „Ich hatte da echt großes Glück gehabt. Seitdem gehen die Preise echt durch die Decke und den habe ich dann schön in Serienoptik aufgebaut."

Foto: André Neudert

Einmal WRC bitte

Seit einigen Jahren fährt Mathias mit seinen Escort-Modellen auch auf der Rennstrecke und hatte noch vor ein paar Jahren ein Track Tool auf Basis eines Escort RS2000 unter dem Gasfuß. Dieser heiße Ofen, der im REPSOL-Design unterwegs war, ist längst Geschichte und wurde verkauft. Jetzt schraubt und fährt Mathias vor allem mit diesem „Rallye-Escort" im Kreis. Der Grund: Mathias träumte schon immer vom Rallye-Escort und wollte irgendwann mal einen Cosworth im WRC-Design der Rallye Monte Carlo und der dementsprechenden Leistung haben. 2021 kaufte Mathias den damals von Heiko Höhne aufgebauten und getunten Escort RS Cosworth als Rohkarosse samt Zubehör und modifiziertem Motor. „Bis 2017 hatte Heiko Höhne an dem Cossie geschraubt." Mathias schmückt sich nicht gerne mit fremden Federn und erklärt uns, dass auch der Motor und das Interieur von Heiko Höhne schon beim Kauf 2021 so umgebaut gewesen war. So war es auch Heiko gewesen, der die eingeschweißte Sparco-Zelle im Innenraum für die Alltagsnutzung herausgetrennt hat. Mathias möchte diese aber im Laufe des Jahres 2023 wieder nachrüsten und dazu noch zu Fünfpunktgurten sowie neuen Sitzen greifen. Bei unserem Fotoshooting im vergangenen Sommer waren noch vom Ford Focus RS (Mk2) die Schalensitze eingebaut und Mathias griff in ein OMP-Motorsport-Volant mit abgeflachtem Alcantara-Lenkradkranz.
Die letzte Evolutionsstufe des Ford Escort RS Cosworth war die Speerspitze des damaligen Rallye-Engagements von Ford. Am Horizont war damals schon langsam der neue Focus WRC zu sehen und aus dem Ford Escort RS Cosworth musste für die neue WRC-Regularien der Cosworth zum Escort WRC weiterentwickelt werden. Bei Mathias' „Valvoline"-Rallye-Ford handelt es sich noch um eine Hommage an die letzten Wilden der Gruppe-A-Zeiten, die noch bis etwa Ende der 1990er-Jahre auf Basis des Ford Sierra 4x4 im Einsatz waren. Aber auch schon an seinem RS Cosworth ist nicht mehr die Aerodynamik des im Januar 1990 vorgestellten Homologationsmodells mit dem übergroßen Whale-Tail-Flügel montiert. Vom Escort WRC stammen die Frontschürze und der kleinere doppelstöckige Kofferraumheckflügel. Ford führte dies im Zuge der WRC-Homologation Ende 1996 ein.

Foto: André Neudert

Leistung satt

Unter der Motorhaube steht ein Cosworth-YBT-Vierzylinder mächtig unter Druck. Mathias weiß wie so viele andere Ford-Schrauber, dass diese Vierzylinder-Turbomotoren ein immenses Potenzial haben. 1992 führte Cosworth den Motor als Weiterentwicklung der bekannten YBB-Motoren ein. Bereits im Serienzustand sind diese Motoren ein Meisterwerk. Wie aus vielen Typenatlanten und älteren Ford-Zeitschriften aus Großbritannien zu erfahren ist, sind 350 PS Leistung in Verbindung mit dem Serienzylinderkopf und Serienblock keine große Herausforderung. Mathias dagegen wollte mehr und war froh, dass der Vorbesitzer Heiko Höhne schon mächtig in Vorleistung gegangen war. So sind die Ein- und Auslasskanäle vergrößert und strömungsoptimiert worden. Das gesamte Ventilspiel sowie die Steuerzeiten sind angepasst und über die Jahre passierte an dem von Mathias komplett revidierten YBT immer mehr. „Im Grunde habe ich den Motor komplett revidiert und die Modifikationen weiter abgestimmt." Heute leistet der Turbomotor mit einem Borg-Warner-EFR-7670-Lader je nach eingestelltem Ladedruck zwischen 500 und 610 PS. Wer es ein wenig genauer wissen will, schielt einfach mal ins Datenblatt. Während man in der Vergangenheit meist nur das alte Seriensteuergerät modifizierte, ist es heute mit frei programmierbaren Motorsteuergeräten aus dem Motorsport- und Zubehörbereich viel einfacher geworden. Dass man das heute so macht, liegt oft auch an der alten Elektrik. „Die alten Kabel und Platinen sind durch die Jahre einfach nicht mehr zu 100 Prozent zuverlässig und wir haben hier auf einen Eigenbaukabelbaum gesetzt." Der Kabelstrang basiert auf Komponenten aus dem VAG-Regal inklusive neuer Einspritzung. Das Steuergerät stammt von Speedmakers- Vogtland und ist frei programmierbar. Im cleanen Motorraum gefällt auch die knallige Lackierung mit dem alten „Laser Blau Metallic" vom Mini Cooper S. Außen trägt der Cosworth die Bemalung der alten „Valvoline"-WRC-Boliden aus den 1990er-Jahren. Dabei handelt es sich aber um eine Folierung, für die Mathias sich an FolienFX in Potsdam wandte.

Foto: André Neudert

Trotz der Rallye-Hommage und der Möglichkeit, dass Mathias seinem Sohn ein Gebetsbuch in die Hand drücken könnte, fährt er mit seinem Cosworth lieber auf der Rundstrecke. Rallye ist einfach zu brutal fürs Material sowie die Nerven, wenn man bei jedem Wertungsprüfungskilometer den Verschleiß vor dem inneren Auge hat. Damit der Cossie immer schön Traktion hat, sind alle Achsen und Fahrwerkkomponenten PU-gelagert. Beim Fahrwerk griff man zu einem GAZ-Gewindefahrwerk mit einstellbaren Motorsportdämpfern. Im Rundstreckeneinsatz ist der Ford rundum auf Motec-Nitro-Rädern in 8 × 18 Zoll mit Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Gummis unterwegs. Bei unserem Fototermin waren die Straßenräder montiert: ROTA D154 in 8,5 × 18 Zoll mit Pilot-Sport-Reifen von Michelin. Um auch bei jeder Runde bei jedem Bremspunkt nicht von der Negativbeschleunigung in Stich gelassen zu werden, wird der bis zu 610 PS starke Escort von einer AP-Racing-Sechs- und Vierkolbenbremse gezügelt. Um das Track-Tool-Projekt abzuschließen, plant Mathias, demnächst wieder einen Käfig in den Innenraum einzubauen, nachzurüsten. Mehr braucht es in seinen Augen nicht, denn so, wie der Wagen sich heute präsentiert, ist er einfach perfekt ...

Mathias Lemke, Ford Escort RS Cosworth 4x4, Baujahr 1994

Motor: 1.993-ccm-Cosworth-Reihenvierzylinder-Turbomotor (YBT), 167 kW (227 PS); überarbeiteter und modifizierter Zylinderkopf mit vergrößerten Ein- und Auslasskanälen, Motorsport-Einlassnockenwelle (vom 16V BD16), größere Ein- und Auslassventile, verstärkte Ventilfedern, Schmiedekolben und K1-H-Schaft-Pleuel; WRC-Zylinderkopfdichtung; Cosworth-Stahlkurbelwelle; vergrößerte Ölwanne mit Schwallblechen, modifizierte HD-Ölpumpe, Ölflex-Leitungen, Ölkühler, externe WRC-Kurbelgehäuse-Entlüftung; Ford-Rallye-WRC-Ansaugbrücke mit VR6-Drosselklappe, Borg-Warner-EFR-7670-Turbolader, externes TIAL-Wastegate, Ford-RS500-Ladeluftkühler; elektronische Benzineinspritzung kombiniert mit Eigenbaukabelbaum und VAG-Komponenten, Einzelzündspulen, Bosch-Motorsport Benzinpumpe mit modifiziertem Rückschlagventil, Stahlflexbenzinleitungen mit DASH-Schnellverschlüssen; frei programmierbares Speedmakers-Vogtland-Motorsteuergerät; überarbeiteter Kühlkreislauf mit SPAL-Lüfter, WRC-Kühler, 71 °C Thermostat; 500 bis 610 PS (je nach eingestelltem Ladedruck 1,3 bis 2,0 bar)

Auspuff: Eigenbaukomplettauspuffanlage aus Edelstahl inklusive Twin-Scroll-T4-Krümmer, 100-Zellen-Motorsport-Kat und Endschalldämpfer

Getriebe: von Oppliger Motorsport überarbeitetes Fünfgangschaltgetriebe mit neuen Lagern, Synchronringen und verstärkten Gangzahnrädern (gerade Verzahnung); modifizierte Sachs-Performance-Sintermetallkupplung, erleichtertes Schwungrad; verstärktes Vorderachsdifferenzial; Schaltwegverkürzung

Fahrwerk: GAZ-Pro-Gold-Competition-Motorsport-Gewindefahrwerk mit einstellbaren Dämpfern; alle Stabilisatoren verstärkt und PU-gelagert; sämtliche Lager- und Gummimetallelemente mit PU-Buchsen ersetzt

Rad/Reifen: ROTA-D154-Leichtmetallräder in 8,5 × 18 Zoll mit Michelin-Pilot-Sport-Reifen, 50-mm-Distanzscheiben pro Achse

Bremse: AP-Racing-Sechs- und Vierkolbenbremsanlage mit Bremsscheiben in 362 × 32 mm und 330 × 28 mm

Karosserie: originale Ford Escort RS Cosworth 4x4 mit WRC-Frontschürze und Heckflügel erweitert; Morette-Doppelscheinwerfer inklusive Frischluftklappe; Komplettlackierung in „Laser Blau Metallic" von BMW Mini; Folien-FX-Komplettkarosseriefolierung im weiß-blauen Valvoline-WRC-Design von der WRC 1998

Interieur: eingeschweißte Sparco-Zelle (Flankenschutz und Kreuz im Innenraum entfernt; im Motorraum noch vorhanden), OMP-Alcantara-Sportlenkrad; Alcantara- und Lederausstattung mit Ford-Focus-RS-Sitzen auf Recaro-Sitzkonsolen; modifizierte Originalanzeigen für Ladedruck bis 2,0 bar, Öldruck und Öltemperatur sowie Abgastemperaturanzeige und Lambdawert

Danke: Jens Ehrlich von RST Kfz-Selbsthilfewerkstatt in Cottbus, Turbo-Performance-Lausitz-Crew, Ehefrau und zwei Kinder