Volvo V70 II (Typ S, P26), Baujahr 2007

Ein Showcar der Extreme

05.04.2023 11:05 Uhr

Fotos: Jan Bürgermeister I Text: Nick K. Hofmeister

Mit einem Volvo V70 II den European Tuning Showdown zu gewinnen, ist der absolute Wahnsinn. Henrik Mattsson kann es bis heute noch nicht glauben, dass er mit seinem Familienbomber so weit gekommen ist.

Ob SOKO Autoposer, Spritpreise und #angezweifelt: Der Show&Shine- und Tuning-Gemeinde bläst seit einigen Jahren ein heftiger Wind ins Gesicht. Und so ist es auch kein Wunder, dass immer mehr „Hardcore-Schrauber" ihre Showcars nur noch per Trailer zu den Hotspots der Tuningszene karren. Auch Henrik Mattsson fährt Trailer. Aber bei dem Schweden liegt das eher daran, dass es von Südschweden zum European Tuning Showdown ein weiter Weg ist. Und den Trip nach Friedrichshafen kennt Henrik ganz gut. Bereits 2018 war er bei der Tuning World Bodensee am Start. Natürlich mit einem „schwedischen Volkswagen", einem Volvo. Wer den European Tuning Showdown am Schwäbischen Meer schon etwas länger verfolgt, weiß, dass dieser Wettbewerb immer für Überraschungen gut ist.

Beim zweiten Anlauf, alle überrascht

In der Vergangenheit ging der ETS-Titel schon zweimal nach Schweden, 2013 gewann Johan Eriksson mit seinem mitternachtsschwarzem Dodge Charger R/T von 1968 und 2018 mit seinem zweiten roten Dodge Charger RT/R. Ein Volvo siegte noch nie am Bodensee. „Obwohl es 2018 ganz schön knapp war", erinnert sich Henrik. Der Kfz-Mechaniker weiß, wovon er spricht. Denn er wurde vor vier Jahren Zweiter mit einem Volvo. Einem V70. Auch 2022 ging Henrik an den Start. Mit seinem neuen beziehungsweise seinem alten Volvo. „Ach, das war eigentlich meine Baumarkt-Driftkarre", schmunzelt der sympathische 48-Jährige. „Gekauft hatte ich den 2009 oder 2010 als leere Baustelle und baute den dann innerhalb von drei Jahren auf. Ich fuhr damit zur Arbeit, zum Einkaufen und ab und zu auch auf Rennstrecken."

Foto: Jan Bürgermeister

Volvo ist Henriks Ding. Das fing schon an, als er zehn Jahre alt war. „Mein Vater schraubte an Volvo-Modellen, ich stand daneben und hatte als Elfjähriger schon den Schweißbrenner in der Hand. Zunächst an Mopeds, mit 17 dann an einem Volvo 240." Den 240 hat Henrik immer noch und über die Jahre immer weiter verfeinert. In Schweden ist der Mechaniker kein Unbekannter. Seit Jahrzehnten mischt er in der Tuningszene mit. So ist es auch kein Wunder, dass schwedische Automagazine auch immer wieder über seine Umbauten berichten und selbst das eine oder andere Schrauber-Status-Update im Bilsport Magazin die eine oder andere Geschichte wert ist.

Heckantrieb, was sonst ...

2018 wurde Henrik mit einem knallroten Volvo V70 Kombi Zweiter beim ETS. Schon damals verblüffte der Volvo die ETS-Jury mit einem irren Umbau auf Heckantrieb. Aber 2022 toppte Henrik diesen Kombi. „Ich habe den roten V70-Facelift noch. Aber bereits im Winter 2018 fragte man mich, ob ich denn nicht mit meinem Vorfacelift-V70 mal beim ETS angreifen wolle." Gesagt, getan. Wie der in TUNING vorgestellte rote V70 ist auch dieser Kombi im Grunde eine Gitterrohrrahmenkonstruktion. So war es laut Henrik um Welten leichter, den Fronttriebler auf Heckantrieb umzubauen. „Am aufwendigsten war es, den Unterboden, den Getriebetunnel, den Innenraum und alles weitere so umzusetzen, dass das alles viel cleaner als bei meinem ersten großen Umbau an dem Vorfacelift-V70 wirkt. Damals war mein Kombi noch weiß." Heute ist der Volvo viel cleaner. Egal ob im Motorraum mit dem komplett überholten und neu aufgebauten Volvo-Fünfzylinderturbomotor. Das getunte 2,3-Liter-Triebwerk wuchtet 500 PS in das BMW-Sechsgangschaltgetriebe. Bei der Vorderachse samt Lenkgetriebe handelt es sich um Hardware aus einem Volvo 960. Die Antriebsachse ist eine Mischung aus Volvo- und BMW-Komponenten. Beim Fahrwerk setzt der Schwede auf ein D2-Racing-Gewindefahrwerk, das für die Gitterrohrkarosse und die modifizierte Radaufhängung stark umgebaut wurde. Dass der Motorraum gecleant ist, versteht sich von selbst. Schlaflose Nächte bereitete unter anderem die Auspuffanlage. Zwar lugte sie schon 2016 aus der linken Fondtür, aber heute sind die Eigenbaurohre vom Fond in den Motorraum cleaner verlegt.

Custom-Body

Die Radläufe an den Kotflügeln wurden sauber aufgeschnitten und in Blech um 40 Millimeter verbreitert und dann wieder in die Formen der Serienradläufe gebracht. 2016 waren die Kotflügel noch nicht so breit. Auch die Fondtüren sowie die Seitenschweller und Schürzen mussten an die neue Breite angepasst werden. Beim Blick auf die Bilder fragt man sich, warum Volvo nie selbst auf die Idee kam, ihre sportlichen Volvo 850 T5-R, T5 und Volvo V70 R mit so schönen Breitbaukotflügeln zu verkaufen.
Um die Volvo-Frontschürze formschön zu verbreitern und das Design der Lufteinlässe zu überarbeiten, griff Henrik zu einem Kunststoffschweißgerät. Teile seiner Schürze stammen vom BMW 5er und einem Volvo V60. Hinten erweiterte der Schwede die Heckschürze mit einem Eigenbaudiffusor und passte die Stoßstange an die breiteren Kotflügel an. Das gesamte Dachblech wich Carbon und auch die A-Säulen sind nun mit dem Eigenbauüberrollkäfig mit Flankenschutz fest verschweißt. Auch der gesamte cleane Innenraum wird mit Alcantara und Carbon geschmückt. „Es hat alles länger gedauert als gedacht", erinnert sich Henrik. „Das hätte ich eigentlich wissen müssen. Wir haben uns ein wenig bei dem Carbon verschätzt. Das Bauen der Formen dauerte ein wenig länger." Aber zum Glück hält Familie Mattsson zusammen. Freundin Melissa Sjöstrand griff Henrik immer unter die Arme, obwohl sie während der Volvo-Umbauzeit auch noch ihr Audi-TT-Projekt in der Mache hatte. Henriks Sohn Marcus war ebenfalls am Start. Der Innenraum kann sich mit seinen schön angerichteten Motorsportkomponenten sehen lassen. Es gibt sogar eine integrierte Hebeanlage wie bei Rennwagen, um schnell Räder und Bremse wechseln zu können – oder beim Show&Shine elegant die durchgestylten Radhäuser und Achskomponenten zu präsentieren. Die Hebeanlage funktioniert per Druckluft.

Foto: Jan Bürgermeister

Mercedes-AMG-Bremse und neue Dotz-Räder

Henriks Dotz-Räder gibt es so nicht offiziell für seinen Volvo zu kaufen, aber das stört den Schweden nicht. Er bekam sie in 10 x 20 Zoll und 13 x 20 Zoll über OCL Brorssons in Schweden. Die Felgen sind in ihrer Einpresstiefe goldrichtig, um die S500-AMG-Acht- und Vierkolbenbremsanlage freigängig nutzen zu können. Die montierten Yokohama-Reifen sind an einem V70 in 245/30-20 und 305/25-20 echte Walzen – perfektes Fitment, ganz ohne Airride! Henriks Bruder Fredrik hat den Volvo lackiert. Bei dem goldenen Perleffektlack handelt es sich um eine Mischung von „Stillströms", die noch knalliger in der Sonne als auf dem gedruckten Papier leuchtet. Bei unserem Fotoshooting auf der Tuning World Bodensee verrät uns Melissa, dass Henrik erst am Montagabend, zwei Tage vor der Messe, in Schweden mit dem Volvo abfahrtbereit war. Die 1.700 Kilometer an den Bodensee sind die beiden am Stück per Trailer durchgefahren. Von der SOKO Autoposer war dabei weit und breit nichts zu sehen ...

Foto: Jan Bürgermeister

Henrik Mattsson, Volvo V70 II (Typ S, P26), Baujahr 2007

Motor: Motorumbau auf 2.319-ccm-Volvo-850-T-5-2.3-(B5234T)-Fünfzylinder-Turbomotor mit 165 kW (225 PS); Eigenbauein- und -auslasskrümmer; bearbeiteter Zylinderkopf mit neu eingefrästen Ventilkanälen und Mira-Ventilen; Schmiedekolben- und -pleuel; GIK-Turboteknik-SC61-Turbolader inklusive Ladeluftkühler, Ladeluftrohre; Aluminiumeigenbaunockenwellenräder; geschmiedete Kurbelwelle mit erleichtertem Schwungrad; MS-Einspritzventile und -Zündung; Nuke-Performance-Benzinpumpe; Eigenbauwasserkühler aus Aluminium mit Zusatzeigenbauölkühler; 500 PS

Auspuff: Eigenbauedelstahlauspuffanlage ab Turbolader mit 3,5-Zoll-Rohren

Fahrwerk: Eigenbau-Volvo-960-Vorderachse mit Volvo-960-Servolenkung und -Lenkgetriebe; Umbau auf Heckantrieb; Eigenbaugewindefahrwerk mit D2-Racing-Komponenten; alle Stabis, Koppelstangen, Spurstangenköpfe mit PU-Buchsen

Getriebe: BMW-E39-Sechsgangschaltgetriebe mit Sintermetallkupplung, modifizierte Eigenbauhinterachse mit Volvo-960- und BMW-Komponenten; Corvette-Differenzial

Rad/Reifen: modifizierte Dotz-Suzuka-Leichtmetallfelgen in 10 x 20 Zoll und 13 x 20 Zoll mit Yokohama-Reifen in 245/30-20 und 305/25-20; 100-mm-Eigenbaudistanzscheiben rundum

Bremse: Mercedes-AMG-S500-Acht- und -Vierkolbenbremsanlage mit 355 mm großen Bremsscheiben rundum; hydraulische Jaguar-Handbremse

Karosserie: komplette Eigenbaugitterrohrkarosserie auf Basis eines Volvo V70 Kombi mit umgearbeiteten Motoraufhängung, angepasstem Getriebetunnel für BMW-E39-Sechsgangschaltgetriebe; Dach gegen Carbon ersetzt, 40-mm-Radlaufverbreiterungen aus Blech pro Seite; Eigenbaufrontschürze mit BMW- und Volvo-V60-Komponenten; Eigenbau-Volvo-V70-II-Heckschürze inklusive Diffusor; Heckwischer und Emblem entfernt; linke Fondtür mit Auspufföffnung

Interieur: Eigenbausicherheitszelle mit Flankenschutz, Eigenbauarmaturenbrett mit Carbonblenden und Alcantarabezug, Luis-Sportlenkrad, Schalensitze, H-Gurte, sämtliche Kabelstränge in Eigenbau; Carbonverkleidungen für Getriebetunnel, Türen, Fond, Kofferraum und teilweise Boden; Air-Jacks (Luftdruckhebeanlage); Nuke-Performance-Renntank inklusive Catch-Tank ...

Dank an: Freundin Melissa Sjöstrand, Marcus Mattsson, Fredrik Mattsson, Sonax Schweden, Nuke Performance, OCL Brorssons, Yokohama, Stillströms, 3M, Würth

Kontakt: Instagram Mattssongarage