Schluss mit Halbwahrheiten, Unsicherheiten und Fehlinformationen

Unser Experte klärt rund um Old- und Youngtimer-Tuning auf

25.01.2022 16:43 Uhr

Text und Fotos: Heiner Manthey

Im Bereich des Tunings gibt es einige Halbwahrheiten, Unsicherheiten und Fehlinformationen. Besonders extrem ist das im Bereich des Old- und Youngtimer-Tunings. Wir klären auf.

Was ist überhaupt ein Oldtimer? Diese Frage lässt sich recht gut beantworten. Ein Fahrzeug muss als zeitgenössisches Kulturgut dienen, mindestens dreißig Jahre alt sein sowie das Straßenbild aufwerten und erhalten. Das heißt im Klartext: Das Fahrzeug muss in einem besonders erhaltungswürdigen Zustand sein. Hier ist es vorrangig wichtig, wie oft es das Fahrzeug noch gibt. So kann, übertrieben gesagt, ein Renault 5 GT Turbo aufgrund der sehr geringen Stückzahl in vergleichbar schlechterem Zustand wertvoller sein als ein Golf 2, von dem es noch einige Exemplare auf den Straßen gibt. Daher muss man die Verfügbarkeit des Fahrzeugs in die Betrachtung miteinbeziehen. Wenn das Fahrzeug in einem hochwertigen, erhaltungswürdigen Zustand ist, steht dem H-Kennzeichen schon einmal wenig im Weg.

Original kann jeder und ist für euch vermutlich auch uninteressant. Wichtiger ist die Frage, wie weit man beim Tuning eines Oldtimers gehen kann.

Foto: Heiner Manthey

Auch hier scheiden sich die Geister. Grundsätzlich ist jedes Tuning zeitgenössisch, was in den ersten zehn Jahren nach Fahrzeugerstzulassung verbaut wurde oder nachweislich bereits mindestens dreißig Jahre am Fahrzeug mit durch die Lande fährt. Schwieriger wird es, wenn es um die Nachrüstung von Teilen in der heutigen Zeit geht. Hier ist möglich, was in den ersten zehn Jahren nach Erstzulassung verwendet wurde und vor allem üblich war. An Letzterem scheitert es oftmals. Viele Änderungen wären zur damaligen Zeit denkbar gewesen, waren aber schlichtweg nicht üblich. Dazu reicht auch nicht der Nachweis, dass irgendwer so einen Umbau als Einzelfahrzeug damals schon gemacht hat.

Aktuell leben wir im Jahr 2022. Das heißt, dass Fahrzeuge ab der Erstzulassung 1992 und älter ein H-Kennzeichen bekommen können. Das klingt erst einmal nicht spektakulär. Allerdings dürfen, wie eben erwähnt, Teile genutzt werden, die innerhalb der ersten zehn Jahre nach Erstzulassung häufig eingesetzt wurden, in dem Fall also bis zum Jahr 2002. Wenn man auf diese Jahre schaut, liegt hier der Grundstein vieler legendärer Tuning-Firmen. Die 1990er waren die Jahre, in denen das Tuning richtig populär wurde. Daher sind bei solchen Fahrzeugen Breitbauten, Gewindefahrwerke, fette Heckspoiler und Tiefbettfelgen absolut zeitgenössisch.

Foto: Heiner Manthey

Oft wird dabei die Frage gestellt: „Darf ich ein Teil verbauen, was zwar eine zeitgenössische Optik, aber ein aktuelles Teilegutachten hat?" Klare Antwort: Ja! Beim H-Kennzeichen ist das ausdrückliche Ziel, das optische Straßenbild zu erhalten. Somit kann man durchaus ein Nachbaurad in zeitgenössischer Optik mit aktuellem Gutachten verbauen. Gerade beim Thema Räder muss dabei aber beachtet werden, dass neben dem Aussehen auch die Maße des Rads zählen. In den 1980ern und 1990ern waren hauptsächlich breite Räder mit kleinem Durchmesser populär. Möchte man heute ein 18-Zoll-Rad auf einem Golf 1 fahren, so ist das nicht zeitgenössisch, auch wenn die Optik des Rades passt. Beim Anblick des Fahrzeugs soll man sich in die Zeit zurückversetzt fühlen.

Ebenso problematisch ist eine extreme Tieferlegung. Zwar gab es auch in den 1980er- und 1990er-Jahren solche Autos, allerdings waren diese nicht so tief wie heute teilweise üblich. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass ein nachgerüstetes Luftfahrwerk zum Zweck der Tieferlegung nicht H-fähig ist. Der Trend der Luftfahrwerke zur Tieferlegung keimte erst Ende der 2000er-Jahre auf. Bis diese Fahrzeuge dreißig Jahre alt werden, muss noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen.

Foto: Heiner Manthey

Brenzlig wird es ebenfalls, wenn der Motor umgebaut wird. Die Grenzen sind hierbei eng gesteckt. Streitbar ist beispielsweise, ob ein VR6-Turbo-Umbau eine übliche Umrüstung ist. Die meisten von euch werden sagen: „Klar, die gab es wie Sand am Meer!" Das ist korrekt, es gab einige. Aber waren sie deshalb flächendeckend üblich? Diese Frage ist tatsächlich umstritten und kann nur vom jeweiligen Sachverständigen vor Ort geklärt werden.

Hilfreich sind dabei Unterlagen vom Hersteller, allen voran beispielsweise der Umrüstkatalog von Opel. Dieses Werk beinhaltet alle potenziellen Umrüstungen, welche seinerzeit von Opel als möglich dargestellt wurden. Dadurch kann man einiges feststellen, was schon damals verändert wurde. Je seltener das Fahrzeug ist, umso schwieriger wird es, eine übliche Umgestaltung nachweisen zu können. Hilfreich sind dabei vor allem alte Fachzeitschriften, Fachbücher oder auch Herstellerprospekte.

Fassen wir zusammen: Wenn ihr euren Oldtimer tunen möchtet, empfiehlt sich wie immer ein ausführliches Gespräch mit eurem Sachverständigen vor Ort, denn beim Oldtimer-Tuning gibt es nicht nur einen Weg. Die Umrüstung muss bis zu zehn Jahre nach Erstzulassung möglich und vor allem üblich gewesen sein, wobei die zeitgenössische Optik und ein astreiner technischer Zustand oberste Priorität für eine Oldtimerzulassung haben müssen.

Wenn ihr einen Oldtimer habt und einen Expertenrat benötigt, schreibt uns gern an. Ihr erreicht uns per E-Mail an oldtimer@tuvsud.com oder tuning@tuvsud.com.