Ein alter Spruch unter Motorsportlern lautet: „Wer später bremst, ist länger schnell!" Diese Aussage kommt nicht von ungefähr. Wer auf der Rennstrecke oder kurvigen Passstraßen unterwegs ist, kann eine Serienbremsanlage schnell an ihre Grenzen bringen. Verbaut man hier ein standfesteres Upgrade, kann man den Anbremspunkt später setzen und holt somit noch die eine oder andere Sekunde heraus.

Im Motorsport kann man verwenden, was technisch funktioniert. Im Bereich der StVZO sind die gesetzlichen Anforderungen für eine Bremsanlage allerdings sehr hoch.

Anders als auf der Rennstrecke gibt es im täglichen Straßenverkehr keine Auslaufzonen, die einen eventuellen technischen Defekt verzeihen. Die Bremse ist eines der wichtigsten Bauteile am Fahrzeug und kann im schlimmsten Fall über Leben und Tod entscheiden. Daher keimt bei vielen Fahrzeugbesitzern der Wunsch, die Bremsanlage zur Erhöhung der Sicherheit zu verbessern. Aber was gibt es zu beachten, wenn man eine geänderte Bremsanlage legal im Straßenverkehr nutzen will? Grundsätzlich muss man hierbei zwischen dem Verbau von anderen Bremsscheiben und -belägen in Verbindung mit der Serienbremsanlage und dem Tausch der kompletten Bremsanlage unterscheiden.

Text: Heiner Manthey Collage: MAV Verlag

Ein erster und oftmals recht kostengünstiger Schritt ist der Tausch von Bremsscheiben und -belägen, gegebenenfalls in Verbindung mit einer verbesserten Bremsenbelüftung. Hier kommt es darauf an, dass alle Komponenten nach der UN-ECE R90 geprüft sind. Ist ein Belag oder eine Scheibe entsprechend geprüft, kann sie eintragungsfrei verwendet werden. Aber nicht jeder Belag funktioniert mit jeder Scheibe einwandfrei. Welche Kombinationen auf eurem Fahrzeug gut funktionieren, kann euch ein kompetenter Bremsenhändler in einem Beratungsgespräch erläutern.


Wozu aber eine Bremsenbelüftung? Schauen wir uns einmal an, was beim Bremsen technisch gesehen passiert.

Das Fahrzeug hat in Bewegung eine gewisse Bewegungsenergie. Soll das Fahrzeug jetzt zum Stehen kommen, so wird diese Bewegungsenergie durch die Reibung der Bremsen in Wärmeenergie umgewandelt. Eine entsprechende Sportbremse hat eine stärkere Reibung und setzt so die Energie schneller um, wodurch natürlich auch eine höhere Wärme entsteht. Bei Sportbremsen sind 600 bis 700 °C nichts Ungewöhnliches. Fährt man nun auf einer Rennstrecke und muss öfter stark bremsen, verbleibt der Bremse nicht genügend Zeit, um die gespeicherte Wärme in die Umgebung abzugeben, was zwangsläufig irgendwann zur Überhitzung und damit zu nachlassenden Reibeigenschaften führt. Weiterhin besteht die Gefahr, dass durch die hohe Temperatur die Bremsflüssigkeit den Siedepunkt erreicht und es dadurch zur Gasblasenbildung kommt. Da Gase im Gegensatz zu Flüssigkeiten komprimierbar sind, kann dies zum kompletten Ausfall der Bremse führen, da die Bremskräfte dann nicht mehr an die Bremskolben übertragen werden. Um dies zu verhindern, verbaut man Luftschläuche, über die der Fahrtwind direkt auf die Bremse geleitet wird. Diese kann damit schneller abkühlen und somit ihre Betriebstemperatur halten.

Ein Umbau der Bremsanlage für Einzelfahrzeuge unterliegt dem VdTÜV Merkblatt 754, das umfangreich reformiert wurde.

Beim Umbau der Bremsanlage muss zwischen drei Fällen unterschieden werden. Erster Fall: Umbau auf eine Bremsanlage mit Teilegutachten. Durch das vorliegende Teilegutachten hat die Bremsanlage für die im Verwendungsbereich aufgeführten Fahrzeuge eine umfangreiche Prüfung nach der UN-ECE R13/13H absolvieren müssen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Bremsanlage auch bei starker Beanspruchung nicht versagt und die elektronischen Systeme wie ABS und ESP nach wie vor einwandfrei funktionieren. Ebenfalls wurde bei der Erstellung des Teilegutachtens überprüft, ob die Kolbenverhältnisse vom Hauptbremszylinder zu denen der Bremssättel passen und der Bremskraftverstärker für die neue Bremsanlage ausreichend dimensioniert ist. Bremsanlagen mit Teilegutachten bestehen aus einer Kombination von Bremssattel, gegebenenfalls Bremssattelhalter, Bremsscheibe und Bremsbelag. Optimalerweise sollten im Zuge eines solchen Umbaus auch die Bremsschläuche gegen Stahlflexbremsschläuche ersetzt werden. Diese haben den Vorteil, dass sie sich, anders als gummiummantelte Serienbremsschläuche, beim Bremsen nicht ausdehnen und somit den eingesteuerten Druck nahezu ohne Verluste an den Bremssattel weitergeben. Dadurch erreicht man ein direkteres und konstanteres Bremsansprechverhalten. Stahlflexbremsschläuche besitzen im Normalfall eine ABE. Aufgrund der vorhandenen Prüfzeugnisse ist die Eintragung einer solchen Bremsanlage im Regelfall problemlos möglich.

Der zweite Fall stellt den Umbau der kompletten Bremsanlage von einem leistungsstärkeren Modell des gleichen Fahrzeugtyps auf ein schwächeres Modell dar. Klassisches Beispiel: Umbau der G60-Bremsanlage in einen „normalen" Golf 2. Dabei müssen alle relevanten Komponenten wie Hauptbremszylinder, Bremskraftverstärker, Bremssättel und, wenn vorhanden, die ABS-Steuereinheit übernommen werden. Bei neueren Fahrzeugen muss natürlich auch das ESP entsprechend programmiert werden, was bei aktuellen Systemen sehr komplex und nicht immer möglich ist. Daher wird ein Bremsenumbau bei aktuellen Fahrzeugen zunehmend schwieriger.
Welche Teile genau umgebaut werden müssen, kann man recht einfach über den Teilekatalog der Fahrzeughersteller herausfinden. Alle Teile, die sich unterscheiden, müssen übernommen werden, damit die Bremsanlage wieder der ursprünglichen Konfiguration des Spenderfahrzeuges entspricht. Eine Abnahme ist in diesem Fall auch mit vergleichsweise einfachen Mitteln möglich, da die Eignung der Kombination der Teile sowie das Zusammenspiel mit Fahrzeuggewicht, Radstand und Höchstgeschwindigkeit bereits nachgewiesen wurde.

Fall drei hingegen ist wesentlich komplexer. Hier geht es um Bremsanlagen, die kein Teilegutachten besitzen und auch nicht in ihrer jeweiligen Kombination geprüft wurden. Bestes Beispiel ist die Verwendung von Porsche-Bremssätteln auf diversen anderen Fahrzeugen. Zuerst muss hier geprüft werden, ob die Kolbenverhältnisse des Hauptbremszylinders zum entsprechenden Bremssattel passen. Da dies oftmals nicht der Fall ist, muss der Hauptbremszylinder und oftmals auch der Bremskraftverstärker angepasst werden. Hintergrund ist wiederum einfache Physik. Bei Betätigung des Bremspedals wird durch den Hauptbremszylinder ein gewisses Volumen an Bremsflüssigkeit verdrängt. Je größer der Kolbendurchmesser des Hauptbremszylinders, umso mehr Flüssigkeit wird ins System gebracht. Der nun entstehende Druck bewegt am anderen Ende der Bremsleitung den Bremskolben. Durch einen Wechsel des Bremssattels wird oftmals die Kolbenfläche gegenüber dem Seriensattel erhöht. Wird nun der Hauptbremszylinder nicht angepasst, kann dieser unterdimensioniert sein und verdrängt damit nicht genügend Flüssigkeit, um den Kolbenraum am Bremssattel vollständig zu füllen. Somit kommt dort nicht der nötige Druck zustande, um den Bremsbelag mit voller Kraft an die Scheibe zu drücken. Dadurch kann nicht die volle Bremsleistung erzielt werden, obwohl das Bremspedal voll durchgetreten ist. Ein weiterer Knackpunkt ist die Befestigung des Sattels am Fahrzeug. Häufig kommen hierfür Adapter zum Einsatz. Diese werden in der Regel nur mit einem Materialzertifikat geliefert, das aber nichts über die richtige Dimensionierung des Adapters, die richtige Position der Bohrungen und das Verhalten bei hohen Temperaturen aussagt. Daher ist es notwendig, dass der Adapter mindestens die gleiche Dimension wie der Serienadapter aufweist und nach Möglichkeit per FEM-Analyse nachgewiesen wird, wie sich der Adapter bei Belastung verhält. Weiterhin muss eine ausreichende Dauerhaltbarkeit der Komponenten gewährleistet sein. Sind all die vorgenannten baulichen Parameter eingehalten, wird die eigentliche Bremsanlage überprüft. Dies geschieht, wie bereits erwähnt, mit einer Prüfung nach VdTÜV Merkblatt 754. Dafür wird zuerst das Kaltbremsverhalten aus 100 km/h mittels eines Pedalkraftmessers und eines Verzögerungsmessgerätes überprüft. Dabei muss mindestens eine mittlere Vollverzögerung von 6,43 m/s² bei einer maximalen Pedalkraft von 500 N erreicht werden. Dieser Test muss sowohl beladen als auch unbeladen bei ausgekuppeltem Motor durchgeführt werden. Bei Fahrzeugen mit ABS wird der gleiche Versuch nochmals mit der Simulation des ABS-Ausfalls durchgeführt. Anschließend wird die Bremse nach einem fest definierten Verfahren heißgebremst und mit voll beladenem Fahrzeug und ausgekuppelten Motor ebenfalls aus 100 km/h abgebremst. Die mittlere Vollverzögerung darf dabei einen Wert von 4,82 m/s² nicht überschreiten, wobei die gemessene Betätigungskraft am Pedal nicht höher als die bei der Kaltbremsung gemessene Kraft liegen darf. Natürlich müssen auch die Bremswerte auf dem Rollenprüfstand innerhalb der vorgegebenen Toleranzen liegen und auch die Feststellbremse muss ihre Fähigkeiten nachweisen.

Sind diese Versuche erfolgreich, wird in einem ausgiebigen Fahrversuch sichergestellt, dass die Bremse sicher zu nutzen ist und keine kritischen Fahrzustände entstehen. Ebenfalls wird dabei geprüft, ob ABS und ESP einwandfrei arbeiten.

Werden all diese Tests positiv abgeschlossen, kann die Bremsanlage positiv begutachtet werden und einem sorgenfreien Fahr- und Bremsvergnügen steht nichts mehr im Weg.