Im Test: VW Polo GTI Facelift

Handschalter? Fehlanzeige!

16.12.2022 11:36 Uhr

Fotos: Jan Bürgermeister I Text: Peter Hintze

TUNING macht keine Pause und testet bei Wind und Wetter. Vieles haben wir in den zurückliegenden Jahren erlebt. Sengende Hitze, wolkenbruchartige Regenfälle, plötzliche Kälteeinbrüche, starke Schneefälle ... Unser Date mit dem facegelifteten Polo GTI sollte sich da nahtlos einreihen.

Zwei Wochen lang bereicherte dieser 207 PS starke Frontkratzer unseren Fuhrpark. Volkswagens Polo GTI rollte in Pure White lackiert und mit dem aufpreispflichtigen Roof Pack sowie 18-Zöllern samt Winterreifen auf unseren Hof. Winterräder zum Test? Okay! Machen wir das Beste daraus. Letztlich sind wir Volkswagens Testwagenabteilung für die saisongerechte Bereifung dankbar. Von morgendlichem Bodenfrost bis zu frühsommerlichen Temperaturen war bei unseren Ausfahrten, unter anderem an (nicht auf, d. Red.) die legendäre Nürburgring Nordschleife, alles dabei.

Vorab: Mit dem Facelift rückt der Polo in allen Ausstattungslinien optisch näher an den Golf der achten Generation. So spricht die Leuchten-Signatur des kompakten Fließheckmodells die Sprache des größeren Bruders aus Wolfsburg. Auch die zweigeteilte Heckleuchte lässt die verwandtschaftliche Beziehung erahnen. Obendrein gönnt man dem frisch aufgepeppten „kleinen" GTI eine abgespeckte Version der optionalen Nebler. GTI und GTE haben je drei davon, der Polo muss sich mit zwei Exemplaren begnügen. Ein breites rotes Band zieht sich vorn bis an die IQ-Light-Scheinwerfer. Den Polo-GTI-Look ergänzen rote Applikationen im Exterieur.

Foto: Jan Bürgermeister

Gut zu Gesicht stehen dem kleinen Flitzer die in Schwarzglanz gedreht montierten 18-Zöller im Faro-Look. Serienmäßig steht der Polo GTI Facelift auf 17-Zoll-Alurädern. Das Kreuz in der Zubehörliste lohnt in jedem Fall, finden wir. Durch die Leichtmetallräder fällt der Blick auf große Bremsscheiben und rot lackierte Bremssättel. Sie sind weder gelocht noch geschlitzt. Sei es drum ... Ein bisschen mehr Liebe zum Detail, beispielsweise in Form des GTI-Schriftzuges, hätten wir uns für die Sättel gewünscht. Schwarze Seitenschweller erzeugen optisch mehr Tiefgang. Der Heckspoiler wird durch eine aggressiv wirkende Abrisskante noch mehr in Szene gesetzt. Eine doppelflutige Abgasanlage mit zwei echten Endrohren befördert die Abgase ins Freie.

Interieurseitig präsentiert sich der Polo typisch GTI – im klassischen Clark-Design. Die vorderen Sportsitze spenden ordentlichen Seitenhalt. Auch auf der Rückbank sitzt es sich bequem. Wenn wir schon bei Familienbanden sind ... Die neueste Polo-GTI-Generation teilt sich neben dem Multifunktionslenkrad mit Touchfunktion auch den DSG-Wählhebel mit dem Golf. Das neue Lederlenkrad mit GTI Spange liegt gut in der Hand. Hadern müssen wir erneut mit der fummeligen Touchbedienung. Gleiches gilt im Übrigen für die nur mühsam erreichbare Klimaanlage. Nichts zu meckern gibt es am virtuellen Cockpit. Nicht ganz warm werden wir mit all den schönen roten Farbapplikationen. Hier wäre weniger mehr.

Der Blick unter die Haube fällt eher unspektaktulär aus: Der Zweiliter-Vierzylinder (VW EA888 evo4) ist mit seiner neutralen Motorabdeckung nicht als GTI-Triebwerk zu erkennen. Schade. Hier sollte GTI stehen. Performancetechnisch rangiert er unterhalb des Golf GTI. Der buhlt in der Basisausstattung mit 245 PS und 370 Nm um Kunden. Nichtsdestotrotz sorgt der Motor mit seinen 207 PS und einem maximalen Drehmoment von 320 Nm für akzeptable Fahrwerte. Das Triebwerk hat mit dem knapp 1.350 Kilogramm leichten Polo leichtes Spiel. In 6,5 Sekunden sprintet der kleine GTI auf Tempo 100. Bei 240 Stundenkilometern ist Schluss.

Foto: Jan Bürgermeister

Handschalter? Fehlanzeige! Kritisch anmerken müssen wir auch, dass der facegeliftete Polo GTI ausschließlich mit Sieben-Gang-Direktschaltgetriebe angeboten wird. Schaltpaddles hin oder her... Sportlich ambitionierte Fahrer (wie wir) wollen kuppeln, schalten, Gas geben, bremsen und lenken anstatt teilautonom über die Straßen rollen.

Fahrwerktechnisch gibt es nichts zu meckern. Das „Sport Select"-Fahrwerk lässt sich nach Gusto abstimmen. Vier Funktionen stehen zur Verfügung. Das sind Eco, Komfort, Sport, Individual. Deren Bedienung ist bequem via Touchscreen erledigt. Auch die Bremsen packen bei Bedarf beherzt zu. Eine Rennsemmel wird aus dem kleinen GTI dabei leider nicht. Er ist für unsere Begriffe eine Spur zu sportlich-komfortabel ausgelegt.

Wer entspannt mit dem Verkehr schwimmt, kann sich über Verbräuche von 6,5 Liter Super 95 freuen. Um die acht Liter bei Volllast sind akzeptabel. Soundtechnisch gibt der Polo GTI eher den Biedermann, er wird künstlich verstärkt. Volkswagens Wettbewerber agieren hier aggressiver. Zu nennen wären hier Hyundai mit dem i20N, Toyota mit dem GR Yaris oder auch Ford mit dem Fiesta ST. Alle bieten inzwischen kompakten Fahrspaß mit 200 PS+ zu Preisen um die 30.000 Euro an.

Foto: Jan Bürgermeister

Fazit:

Für den Polo GTI Facelift muss man fast 32.000 Euro auf den Tisch blättern, für den Tester sogar rund 37.000 Euro. Viel Holz für einen Polo. Zum Vergleich: Ein Basis-Golf-GTI kostet gut 41.000 Euro. Der bietet mehr Platz und mehr PS für ähnliche Münze. Ob der kleine GTI eine Daseinsberechtigung hat, müssen letztlich die Käufer entscheiden.

VW Polo GTI Facelift, Modelljahr 2022

Motor: 2,0 l TSI OPF 152 kW (207 PS), Vierzylinder-Reihenmotor mit Abgasturbolader, Hubraum: 1.984 ccm, max. Drehmoment: 320 Nm / 1500 - 4500 U/min, Emissionsklasse: EURO 6 AP, Emissionsnorm: EURO 6d–ISC-FCM

Getriebe: 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe DSG

Auspuff: doppelflutige Abgasanlage mit zwei echten Endrohren

Karosserie: fünftürige Limousine mit Fließheck, Lackierung in Pure White Deep Black Perleffekt (245 Euro) mit Roof Pack (190 Euro), Stoßfänger im sportlichen Design, Lufteinlässe in Wabenstruktur, Schwellerverbreiterung schwarz

Interieur: Multifunktions-Sportlenkrad in Leder, mit Schaltwippen, Fahrprofilauswahl, Digital Cockpit Pro, mehrfarbig, verschiedene Info-Profile wählbar, Sportsitze vorn, Sitzbezüge im Clark-Design, Dashboard in Rot, Klimaanlage Air Care Climatronic mit Aktiv-Kombifilter und 2-Zonen-Temperaturregelung (375 Euro), IQ.DRIVE-Paket inkl. Travel Assist (405 Euro), Fahrerassistenzpaket inkl. Park Assist (550 Euro), Licht-und-Sicht-Paket (150 Euro), Diebstahlwarnanlage (300 Euro)

Fahrwerk: Einzelradaufhängung, MacPherson-Federbeine / Schraubenfedern, Stoßdämpfer, „Sport Select"-Fahrwerk (565 Euro)

Rad/Reifen: Leichtmetallräder Faro 7,5 J x 18 in Schwarz / glanzgedreht, Semperit Speed Grip 5 215/40 R 18 (450 Euro)

Car Hi-Fi / Multimedia: Rückfahrkamera Rear View (280 Euro), Navigationssystem Discover Pro inkl. Streaming & Internet (1.670 Euro), Soundsystem beatsAudio, 300 Watt Gesamtleistung, Subwoofer, digitaler 8-Kanal-Verstärker, 6 Lautsprecher (500 Euro), Telefonschnittstelle mit induktiver Ladefunktion (120 Euro)

Fahrdaten: Vmax: 240 km/h, Beschleunigung 0-100 km/h: 6,5 s

Verbrauch (l/100km): 4,7 - 4,6 / 7,4 / 5,7 - 5,6 (außerorts / innerorts / kombiniert, nach NEFZ, Werksangabe); CO₂-Emission kombiniert: 131 - 128 g/km, Effizienzklasse: C - B 1; 7,1 - 6,8 / 6,9 - 6,6 / 6,1 - 5,9 / 7,1 - 6,8 / 9,7 - 9,4 (kombiniert / sehr schnell / schnell / mittel / langsam, nach WLTP, Werksangabe); CO₂-Emission kombiniert: 161 - 154 g/km, Kraftsoff: Super 95

Preis: ab 31.095 Euro / Testwagenpreis: 36.895 Euro