29.07.2022 16:05 Uhr

Text: Ben Planz I Fotos: André Neudert

Jetta 2 syncro, Baujahr 1991

Von wegen Rentnerauto

Von wegen Rentnerauto: Sven Warnecke hat seinem Jetta 2 eine Karriere als Rennsportbolide ermöglicht. Und gleichzeitig sieht der Wagen aus wie aus dem Ei gepellt. Ganz großes Kino!

Wenn jemand als Kfz-Mechaniker im Prototypenbau bei Volkswagen Nutzfahrzeuge im Werk Hannover angestellt ist, unterstellt man dieser Person ja schon automatisch einen gewissen Hang zu ausufernden Projekten. Im Fall von Sven Warnecke trifft man mit diesem Verdacht voll ins Schwarze. Der Schrauber aus Wunstorf werkelt schon seit vielen Jahren an Volkswagen. Der erste fahrbare Untersatz des heute 39-Jährigen war auch bereits ein Jetta 2. „Der stand in meiner Ausbildungswerkstatt in der letzten Ecke. Ich hatte sofort die Bilder im Kopf, wie er tiefergelegt und mit Alufelgen dastehen könnte. Und warum dürfen nicht auch Fahranfänger Stufenheck fahren? Da hast du neben der fetten Basskiste immer noch genug Platz für 'ne Bierkiste", erklärt Sven ganz pragmatisch. Kurze Zeit später kam der damals angehende Mechaniker in den Besitz eines top gepflegten 90-PS-Modells. Im Besitz eines Führerscheins war er zwar noch nicht, aber das hielt ihn nicht davon ab, ATS-Cup-Felgen und ein FK-Fahrwerk zu erstehen.

Foto: André Neudert

Zeitsprung. Mittlerweile volljährig und mit Führerschein ausgerüstet, kaufte Sven seinen dritten Jetta. Wie die beiden Vorgänger sollte dieser als Alltagsfahrzeug dienen. „Das sollte sich mit dem Festvertrag im VW Werk Hannover aber ändern. Angeregt durch sämtliche Tuning-Magazine und -Treffen sollte der Jetta einen G60-Motor bekommen und nur noch bei schönem Wetter bewegt werden", blickt Sven zurück. Das war 2005. Auf der Suche nach einem G60-Triebwerk stolperte er im Netz über einen Jetta 2 syncro mit einem bereits eingetragenen G60 aus einem Passat 35i. Der VW-Fan entschloss sich für das fertige Paket, das quasi „nur noch" aufgehübscht werden musste. „Höchstbietender mit 2.500 Euro! Ich wollte ihn unbedingt. Eine Schrauberhalle mit meinem Bruder und einem Kumpel gemietet und los geht's", erinnert sich Sven. Doch der Enthusiasmus wurde damals jäh gedämpft. Der Hallenbesitzer wollte keine Schrauber mehr beherbergen und sagte überraschend ab. Sven musste den eingefädelten Jetta-Deal platzen lassen. Monate zogen ins Land und der Wagen war längst vergessen. Allerdings hatte der Schrauber mittlerweile zusammen mit ein paar Freunden eine neue Halle gefunden. Also noch einmal von vorne. Nach G60-Motoren im Internet gesucht. „Und was für ein Auto steht eine Straße weiter beim Händler zum Verkauf? Ja richtig, der Jetta, den ich ersteigert hatte und der damals am anderen Ende von Deutschland stand. Der steht plötzlich 500 Meter neben meiner Wohnung bei einem Händler. Das ist doch Schicksal. Er wollte einfach zu mir", versichert uns der heute 39-Jährige. Und da man sich mit dem Schicksal nicht anlegen sollte, erstand er den Wagen und legte endlich los!

Volles Programm

Da die erste Umbaustufe bereits im Jahr 2006 ihren Anfang nahm und sich bis heute vieles an Svens Jetta geändert hat, stehen wir an der Stelle vor einem Dilemma. Denn alle Modifikationen und den Datenkasten in aller Ausführlichkeit zu besprechen, würde ein Sonderheft nötig machen. Denn aus dem ursprünglichen „So viel muss ich ja gar nicht ändern" ist das bekannte „Vollprogramm" geworden. Einige Tuningmaßnahmen sind bis heute erhalten geblieben, unter anderem die cleanen hinteren Türen. Andere, wie das Golf-4-Armaturenbrett, das zeitweise verbaut war, mussten wieder weichen. Man kann die rund 15 Jahre als Phase sehen, in der immer wieder Modifikationen von Dauer entstanden. Modifikationen, die dazu beitragen, dass der Jetta heute ein Unikat ist.

Foto: André Neudert

Ein wichtiger Meilenstein war der Beschluss, dass der Jetta auf 16V G60 umgebaut werden sollte. Es verging kein Jahr ohne neue Einträge auf dem imaginären Datenblatt. Ab 2013 ging das Ganze dann deutlich in die heutige Richtung. „Durch Bergrennen und Viertel-Meile-Rennen angestachelt sollte der Jetta auch ein Rennauto werden", blickt Sven zurück. Der Jetta wurde nach und nach zum Rennboliden und das Triebwerk mehr und mehr veredelt. „Der Motoraufbau zog sich bis zum Sommer 2019 hin. Denn hier und da kam es doch zu Schwierigkeiten, die Zeit und Nerven gekostet haben. Einfach den 16V-G60-Bausatz kaufen und anbauen, das kann man echt knicken. Viele Teile mussten selbst gedreht und umgearbeitet werden, bis alles gepasst hat", berichtet der Jetta-Fachmann. „Am 11. August war es dann so weit, die Achse saß neu beschichtet und PU-gelagert im Jetta. Und der neue Motor durfte einziehen. Bis alles zu meiner Zufriedenheit verbaut war, gingen noch ein paar Monate ins Land." Eine echte Geduldsprobe. Das Durchhalten hat sich jedoch gelohnt. Und es kamen weitere Prüfungen auf Sven zu. Dass er großen Wert darauf legt, auf alle Umbauten einen offiziellen TÜV-Segen zu kriegen, machte die Mission nicht einfacher. Aber er blieb am Ball ...

Mission erfolgreich

Am Ende musste nur noch das Exterieur auf Racing getrimmt werden. Sven fand mit Micha von Wrapfever Folientechnik genau den richtigen Mann für die Umsetzung seiner Designideen, die einen bunten Mix seiner Lieblinge aus dem Rennsport gepaart mit „Sponsorenlogos" der am Jetta verbauten Marken umfasst. „Das Ergebnis hat mich von den Socken gehauen und bereitet mir jedes Mal ein breites Grinsen, wenn ich die Abdeckplane runterziehe. Jetzt fühlt er sich nicht nur wie ein Rennauto an, sondern sieht auch noch so aus", stellt Sven fest. Denn nach einem Opaauto sieht dieser Jetta nun wirklich nicht mehr aus.

Foto: André Neudert

Jetta 2 syncro, Baujahr 1991 >>> Sven Warnecke

Motor: 1,8 l 16V G60 mit ?? PS, erleichterte Kurbelwelle, bearbeiteter Zylinderkopf, Ansaugbrücke vom Scirocco 16V KR, Ladeluftrohre aus Alu, K&N-57i-Luftfilter, 470-ccm-Bosch-Einspritzdüsen, einstellbarer Sytec-Benzindruckregler, Bosch-044-Kraftstoffpumpe, ABF-Nockenwellen, Schrick-Hydrostößel, Supertech-Ventile, einstellbares dBilas-Nockenwellenrad, Arias-H-Schaft-Pleuel, viele weitere Modifikationen

Auspuff: Eigenbaufächerkrümmer, handgefertigte Abgasanlage von BK-Performance mit Schalldämpfern von Friedrich Motorsport, Bi-Kat, von Kat bis MSD doppelflutig, von MSD bis ESD 63 mm Rohrdurchmesser, 700-mm-Endrohr

Getriebe: ASU-Getriebe vom Rallye-Golf, organische Sachs-Sportkupplung, G60-Schwungrad erleichtert auf 4,8 kg

Fahrwerk: KW-Gewindefahrwerk V1 mit Uniball-Domlagern, geänderte Ultra-Racing-Domstrebe (VA), Wiechers-Domstrebe (HA)

Rad/Reifen: BBS RC323 7,5 x 17 ET35 mit Toyo Proxes TR1 205/40 R17, 20-mm-Spurplatten (VA), 25-mm-Spurplatten (HA)

Bremsen: Porsche-993-Turbo-Vierkolbenbremssättel mit gelochten Bremsscheiben in 322 x 32 mm, Mov'it-Bremstöpfe Lochkreis 4 x 100 (VA), Audi-S3-Bremssättel mit gelochten G60-Bremsscheiben in 280 x 22 mm, EBC-Yellowstuff-Bremsbeläge

Exterieur: Sprinter-Lufteinlass in Motorhaube, hintere Türgriffe entfernt, Antennenloch verschlossen, Unterboden restauriert, Käfigverstärkung an Karosse verschweißt, Motorraum gecleant, Folierung im Bastos-Renndesign

Interieur: König-RS3000-Kevlar-Sportsitze, Luisi-Mirage-Lenkrad in Wildleder mit Porsche-Hupenknopf, Digifiz 8000, Zeitronix-Zusatzanzeigen für Lambda, Öldruck und Abgastemperatur, Raid-HP-LD-Anzeige, Wiechers-Überrollkäfig, Schroth-Gurte, OMP-Feuerlöscher, CAE-Shifter, Fahrgastzelle leer geräumt und in Candyweiß lackiert, zahlreiche weitere Modifikationen

Danke an: Pitti, Bulli, Leppi, Steven, Diether, Alex, Holger, Andre, Sascha, Papa, Mutti, Basti, Robin, Steffen, Timo, Harri, Jan, BK-Performance, Wrapfever Folientechnik, Röttele Racing, RS-Carbon, Kreutzmann Carbon, Speedyshots und alle Firmen, die mir die Erlaubnis gegeben haben, ihr Logo für das Renndesign zu verwenden