Dieser Zweier polarisiert

Coupé, Cabriolet, Active Tourer, Gran Tourer, X-Modell ... Die aktuelle 2er-Serie von BMW hat wirklich für jeden Einsatzzweck und Geschmack etwas zu bieten. Sogar ein Gran Coupé haben die Weißblauen inzwischen am Start. Muskulöse Schulterpartien, leicht abfallende Dachlinie, kraftvolles Heck: Das viertürige Coupé wird in Leipzig gefertigt und ist als Antwort auf Mercedes CLA, Audi A3 Limousine, Hyundai i30 Fastback und Co. zu verstehen. Sollen wir den kompakten BMW nun lieben oder hassen? Eines ist Fakt: Das Design des großen Zweiers mit seinen rahmenlosen Scheiben polarisiert. Mehr noch: Es spaltet unsere Leserschaft. Beabsichtigt oder nicht – das wollen wir mal dahingestellt sein lassen.

Auch mir schießen beim Erstkontakt mit dem Topmodell BMW M235i XDrive Gran Coupé verrückte Gedanken durch den Kopf. Da steht er nun: Unser Tester parkt im klassischen Unilack Alpinweiß und ausgerüstet mit dem M-Performance-Paket und Sonderausstattungen im Gesamtwert von mehr als 10.000 Euro auf unserem Verlagsparkplatz. Klotzen statt kleckern. In den Tester haben die Marketingstrategen sozusagen „einmal das ganze Programm" hineinkonfiguriert. Sogleich mache ich mich auf die Suche nach dem großen Sport. Das Emblem von „BMW M", einst Inbegriff für großen Motorsport, prangt auf den vorderen Kotflügeln und lässt Außerordentliches vermuten. Während ich meinen Blick über die Radhäuser des eleganten Boliden schweifen lasse, komme ich ins Grübeln. Unser BMW M235i XDrive Gran Coupé steht auf Achtzehn-Zoll-Rädern. Achtzehn Zoll! Die Rad-Reifen-Kombination mit ultraleichten Schmiederädern wirkt angesichts der sonst bulligen Erscheinung richtig mickrig. Genauer gesagt scheint sie sich buchstäblich in den Radhäusern zu verlieren. Von der Seite betrachtet erscheint mir das sportliche Zweier-Derivat eher wie ein SUV als ein Gran Coupé. Trotz sportlich abgestimmtem Fahrwerk ist viel Luft in den Radhäusern. Bequem passt da eine Männerfaust hinein. Bei aller Liebe: Hier ist der Spagat zwischen Sport und Komfort nach hinten losgegangen. Größere Räder, mehr Tiefgang wären absolut wünschenswert. Den Aftermarket dürfte es freuen ...

Foto: Jan Bürgermeister

Und so setze ich meinen Rundgang kritischen Blickes fort. Von vorn wirkt das Gran Coupé trotz vergrößerter Niere im Mesh-Design kerngesund und potent. Nebenbei bemerkt: Größer muss das Markenzeichen der Bajuwaren auch nicht ausfallen. Seitliche Lufteinlässe lassen die sportliche Attitüde erahnen. Eine Frontspoilerlippe rundet das Vorderteil ab. In Schwarz gehalten sind die Außenspiegelkappen. Passt gut, wie ich finde. Weiter gehts in Richtung Heck: Hier setzt BMW auf Understatement. Den Heckdeckel garnieren die Bayern mit einer kleinen Abrisskante, Endrohrblenden verleihen dem Heckdiffusor ein bisschen Würze. Nichts zu meckern gibt es an den LED-Scheinwerfern. Sie sehen nicht nur super aus, sondern verrichten auch tadellos ihren Dienst. Unterdessen erinnern mich die LED-Rückleuchten ein bisschen an Alfas aktuelle Giulia, aber das ist wie so vieles Geschmackssache.

Ein M-Modell mit Allrad? Okay, das lasse ich mir noch gefallen. Aber ein „M" mit vier Zylindern? Das sind für meine Begriffe mindestens zwei Töpfe zu wenig für einen sportlichen Bimmer. Warten wir es ab. Zweimal ziehen, bitte! Schon ist die Haube des 2er Gran Coupés geöffnet und gibt einen ersten Blick auf die inneren Werte frei. Vorn quer eingebaut ist das 306 PS starke Zwo-Liter-Vierzylindertriebwerk. Es pusht das gut 1,6 Tonnen schwere Gran Coupé in weniger als fünf Sekunden auf Tempo 100. Die Acht-Gang-Steptronic arbeitet präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. Ihre „Eminenz" lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Der variable Allradantrieb verteilt das Antriebsmoment immer optimal an die Räder. Dank automatisch eingreifender mechanischer Sperre ist jede Kurve zum Räubern gemacht. Wer etwas zum Driften sucht, greift nicht zum 2er Gran Coupé in der Spitzenmotorisierung, sondern schnappt sich ein M240i Coupé. Das ist die radikalere Fahrmaschine.

Foto: Jan Bürgermeister

Erst bei 250 Stundenkilometern ist bei unserem BMW M235i XDrive Gran Coupé Schluss. Spaß – in dem Fall Vollgas – kostet. Den Tankwart freuts. Denn die angepriesenen 6, 7 Liter auf hundert Kilometer laut Werk sind nicht erreichbar. Unser Testverbrauch liegt bei weitem drüber. Wer permanent die volle Leistung abruft, muss mit neun bis zwölf Litern Sprit und der Quittung an der Tanke leben können. Am Ende siegt die Unvernunft, und schon stehen alle Regler auf maximale Sportlichkeit. Dies belohnt das Gran Coupé nicht nur mit straffer abgestimmten Dämpfern, sondern auch mit dem entsprechenden Auspuffsound. Zur Ausstattung unseres Testwagens gehört ein adaptives Fahrwerk. Es erlaubt eine Anpassung der Dämpfercharakteristik an die jeweilige Fahrsituation und soll Fahrkomfort und -dynamik mit größtmöglicher Sicherheit verbinden. Stichwort Sicherheit: An den Bremsen gibt es nichts zu meckern, sie sind typisch BMW und verzögern exzellent.

Schöner wohnen im BMW M235i XDrive Gran Coupé: Hinter dem wunderbar griffigen Sportlenkrad fühle ich mich sofort wohl. Im Interieur spielt der kleine Bayer seine Trümpfe aus, und zwar mit voll digitalem Cockpit, einem ausgetüftelten Head-up-Display für alle relevanten Informationen und, nicht zu vergessen, einem hervorragenden Harman-Kardon-Soundsystem. Dazu gibts vielfach verstellbare M-Sportsitze mit Memoryfunktion. Sie sind ergonomisch geformt, spenden perfekten Seitenhalt und bringen zusätzliche Sportlichkeit ins Interieur. Komfort trifft Sportlichkeit im Gran Coupé: Unserem Testwagen hat BMW nicht nur das Lederpaket namens Dakota, sondern auch das große Infotainmentsystem mit 10,25 Zoll großem Touchscreen spendiert. Die dazugehörige Navigation funktioniert tadellos. Alle Elemente lassen sich auch über den iDrive-Drehregler steuern. Bedingt durch die abfallende Dachlinie ist die Rückbank nicht unbedingt für Großgewachsene geeignet. Mich stört das weniger, ich sitze eh am liebsten vorn.

Foto: Jan Bürgermeister

Wäre dann noch der Preis ... Und der ist premium. BMW ruft für die Basis in Topmotorisierung gut 51.200 Euro auf. Wer unser opulent ausgestattetes 2er Gran Coupé fahren möchte, muss fast 65.000 Flocken auf den Tisch seines Händlers legen. In diesen Sphären überlegt man zweimal, welche Fahrmaschine man auswählt. Näher am „M" ist das M240i Coupé, das nur unwesentlich weniger kostet. Dafür gibts 340 PS aus einem turboaufgeladenen Sechszylinder nebst Heckantrieb ...

BMW M235i Drive Gran Coupé

Motor: BMW M TwinPower-Turbo-4-Zylinder-Benzinmotor, Hubraum: 1.998 cm3, Motorleistung: 306 PS/225 kW bei 5000–6250 1/min, maximales Drehmoment (Nm) bei 1/min:
450/1750-4500, 8-Gang-Steptronic-Getriebe, intelligenter Allradantrieb BMW XDrive

Karosserie: Lackierung in Alpinweiß, Spiegelkappen schwarz, adaptiver LED-Scheinwerfer, M-Performance-Paket

Interieur: M-Sportsitze für Fahrer und Beifahrer, Leder „Dakota" mit Perforierung schwarz, Sitzverstellung mit Memoryfunktion, Interieurleisten „Illuminated Berlin", Driving Assistent, aktive Geschwindigkeitsregelung mit Stop-and-Go-Funktion, Parking Assistent, Harman-Kardon-Surround-System, Entertainment-Paket, Business-Paket Professional (Head-up-Display, Navigation BMW Live Cockpit Professional, Connected Paket Professional, WLAN-Hotspot, Alarmanlage)

Fahrwerk: adaptives Fahrwerk

Rad/Reifen: 18" M Leichtmetallräder V-Speiche 554 mit Sportreifen Pirelli P Zero, Radgröße 8J x 18, Bereifung 225/40 R18, Reifenpannenset

Fahrleistung: 0 auf 100 km/h: 4,9 s, Vmax: 250 km/h

Verbrauch in l/100 km (innerorts/außerorts/kombiniert): 8,6–8,5/6,3–5,6/7,1–6,7 (Werksangabe), Testverbrauch: 8,7 Liter

Preis: ab 51.176 Euro/Testwagen-Preis: 64.500 Euro

Fazit:

Mit dem 2er Gran Coupé besetzt BMW wie viele andere Autohersteller eine Nische.
Als „M235i XDrive" kann der Rucksack-Zweier nicht voll überzeugen. Wer eine radikale Fahrmaschine sucht, ist beim 2er M-Coupé besser aufgehoben.

Foto: Jan Bürgermeister