Corrado, Baujahr 1990

20 years and still running

05.07.2022 14:30 Uhr

Text: Ben Planz I Fotos: André Neudert

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Halter eines modifizierten Vehikels zu charakterisieren. Da gibt es die Tuning-Enthusiasten, die oft den fahrbaren Untersatz wechseln. Wieder andere schrauben ewig an einem Projekt, das nie fertig wird, und betrachten den Weg als Ziel. Und dann gibt es da noch die Fraktion, die ein Fahrzeug seit einer gefühlten Ewigkeit besitzt und es immer wieder Updates unterzieht. Und genau zu diesem Kreis gehört Robin Schwab aus dem Freistaat Bayern. Er hat seinen Corrado im Jahr 2002 im Originalzustand gekauft und in verschiedenen Ausbaustufen immer wieder neu erfunden. Wohl die wenigsten würden beim Anblick der aktuellen Bilder vermuten, dass der Wagen auch schon ein „GFK-Bomber" war, wenn sie das klassisch gehaltene Coupé in seinem momentanen Zustand bewundern. Doch von vorne ...

Vor 20 Jahren ...

... war die Welt noch eine andere. Nur Robins Liebe zum Corrado war schon genauso leidenschaftlich. „Die Faszination Corrado war für mich schon immer ein Thema. Die Form, die Motorisierung, die Ausstattung und die unzähligen Veränderungsmöglichkeiten – die Begeisterung hält immer noch an", berichtet der Schrauber. Robin stand schon immer auf Volkswagen. „Auch wenn andere Marken tolle Wagen anzubieten hatten, bin ich am Ende doch immer bei Volkswagen gelandet", blickt der Bayer auf seine Autokarriere zurück. Er begann schon vor dem 18. Geburtstag mit der Suche nach dem ersten fahrbaren Untersatz. Das Ziel: ein Golf 2 als Edition Blue oder Fire & Ice. Dann ein Gewindefahrwerk rein und Steffan BCW in 14 Zoll drauf. Traumhaft.

Foto: André Neudert

Leider wurden die Illusionen des jungen Mannes durch mangelndes Kleingeld zerstört. Aber Hand aufs Herz: So oder ähnlich erging es vielen in dem Alter. „Es wurde damals nur ein Polo 86C, an dem ich die Lust verlor, als ich Mitte der 1990er-Jahre die ersten Treffen besuchte. Die zur damaligen Zeit unschlagbaren VR6- und G60-Motoren, die in den Corrados steckten, waren für mich die Highlights", schwärmt der Bayer. Doch Corrados waren damals für die meisten jungen Menschen unbezahlbar. Aber für Robin war klar, dass er eines Tages mal Besitzer des schnittigen Coupés sein würde. Und der Tag sollte kommen. Jahre später bot ihm ein Bekannter, der zufälligerweise Autohändler war, einen Corrado G60 mit entsprechender Ausstattung an. Der Schrauber schlug zu.

„Der Corrado wies zwar etliche Gebrauchsspuren auf, aber das war mir zum damaligen Zeitpunkt egal. Der Plan vom Komplettumbau war im Kopf sowieso schon umgesetzt", erzählt Robin. Nach einer Standzeit von einem Jahr startete er die erste Umbauphase. Und da wir hier über den Beginn dieses Jahrtausends reden, investierte der Corrado-Freak selbstverständlich in großem Maße in GFK. „Das ist in meinen Augen kein Tuning. Das wurde damals nur gemacht, um sich von der Masse abzuheben, aufzufallen und einfach so viel wie möglich umgebaut erscheinen zu lassen! Derweil hat man nur viele Tuning-Sünden unter dem GFK versteckt", zieht Robin heute Bilanz. Doch egal, wie „abwegig" die Modifikationen an seinem Corrado aus heutiger Sicht auch erscheinen: Der Volkswagen-Fan achtete immer darauf, dass alles wieder problemlos rückrüstbar war. Irgendwann ergab sich erneut eine Standzeit für das Coupé. Sie sollte diesmal jedoch länger ausfallen. Rund fünf Jahre gingen ins Land, bis Robin beschloss, den Wagen komplett neu aufzubauen. Beginnend mit der Rohkarosse, einem lackierten Unterboden, massiven Cleaningmaßnahmen und dem Fokus auf einem klassischen Look. Der Grundstein für die aktuelle Optik war gelegt, der Umbau sollte sich über anderthalb Jahre ziehen.

Foto: André Neudert

Extrem weicht edel

Robins neues Konzept sollte dafür sorgen, dass der Wagen auf den ersten Blick klassisch original wirkt und erst auf den zweiten Blick seine Veränderungen offenbart. „Es wurde alles verändert, aber die Veränderungen basieren auf Originalteilen", fasst der Corrado-Fanatiker zusammen. In der Fahrgastzelle strebte er einen Mix aus klassischem Leder und Racinglook an. Der Kofferraum wurde von seinem GFK-Showausbau befreit und kann jetzt im klassischen Look wieder mit etwas mehr Stauraum auftrumpfen. Lediglich der Hardline-Ausbau sorgt für Einschnitte. Der Motorraum wurde umfassend gecleant und der VR6 erhielt einen stimmigen Carbonlook, der super mit den matt gepulverten und verchromten Teilen harmoniert. „Ich versuche, mit dem Wagen ein wenig Aufmerksamkeit dafür zu erwecken, was Tuning für mich persönlich bedeutet", begründet Robin seine Motivation. Seine Devise: „Alte Schule. Clean, Chrom, Glanz, Spaß am Ergebnis, selbst machen und zu hundert Prozent sauber umgesetzte Arbeit." Für den Schrauber aus Bayern sind diese Werte in der Szene momentan eher rückläufig. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, seinen Corrado weiter zu perfektionieren. Während ihr diese Zeilen lest, nimmt die Story weiter ihren Lauf. Auch vor einem Umbau auf Turbo schreckt Robin laut eigenen Aussagen nicht zurück: „Ich denke, das war nicht die letzte Ausbaustufe, da immer noch viele Ideen für Details vorhanden sind. Die Story geht weiter." Wir sind gespannt!

Foto: André Neudert

Corrado, Baujahr 1990 >>> Robin Schwab

Motor: 2,9 l VR6 (ABV) mit 194 PS, überarbeiteter Zylinderkopf mit neuen Ein- und Auslassventilen, Hydros etc., selbst gebautes Kühlwassersystem

Auspuff: umwickelter Tezet-Fächerkrümmer auf V-Band umgeschweißt, Gruppe-A-Abgasanlage mit V-Band-Schellen Friedrich Motorsport

Getriebe: komplett revidiertes 02A-Getriebe mit Sachs-Kupplung und erleichtertem Schwungrad

Fahrwerk: GAS-V2-Luftfahrwerk mit Airlift-3H-Steuerung, vorne schmale G60-Achse mit 5-Loch-Anbindung, hinten G60-Achse mit Umbau auf −4 Grad Sturz, Hardline-Kofferraum-Ausbau

Felgen/Reifen: OZ Futura in 8 x 17 Zoll (ET 58) mit Falken ZIEX ZE 195/40/17, Stern in RAL9016 beschichtet und außen montiert, Goldschrauben und Eigenbausechskantdeckel mit Carboneinlage, 35 mm Spurplatten pro Rad

Bremsen: Bremse Porsche 911 Turbo (Big Red) mit 322-mm-Bremsscheiben (VA), Standard VR6 (HA)

Exterieur: gecleanter Motorraum, Komplettlackierung in Serienfarbe LA9V

Interieur: elektrische Recaro-Sitze, geschüsseltes Luisi-Lenkrad mit 12-Uhr-Stellung, Digifiz Mini für Volt, klassische VDO für Öldruck, Airlift-Display zur Drucküberwachung, gepulverter Aluüberrollbügel von Wiechers, Coolerworx-Shifter, diverse Sattlerarbeiten in Alcantara und Echtleder, viele Chromteile

Car-Hi-Fi: Gamma 4 Radio mit komplettem Nokia-Soundsystem von Volkswagen mit Bluetooth-Anbindung

Dank an: meine Familie und insbesondere an meine Frau, die das Hobby und die vielen Schrauberstunden akzeptiert, sowie meine Freunde, die mich immer unterstützt haben