VW Käfer, Baujahr 1957

Alles auf Anfang

05.07.2022 16:46 Uhr

Text: Sven Zimmermann I Fotos: Alexander Karstens

„Make a plan and stick to it." (Mache dir einen Plan und halte dich daran, Anmerkung der Redaktion.) Eine der großen Weisheiten für Erfolg. Doch manchmal kann auch das Gegenteil dazu führen, am Ende richtig glücklich zu sein. Genau so erging es Sebastian Möller aus dem beschaulichen Hollnseth, weit im Norden von Deutschland. Er ist kein großer Fan von Patina, da macht er gar kein Hehl draus. Sebastian steht eher auf Show Cars. Und in diesem Bereich ist er auch kein unbeschriebenes Blatt. Bereits in der Januar-Ausgabe des Jahres 2007 überzeugte der heute 41-Jährige in der VW SPEED mit seinem wilden Golf 3. Der Custom-Umbau sorgte damals für ganz schön großes Aufsehen.

Seitdem gingen und kamen einige Projekte. Was bis dahin fehlte, war etwas Luftgekühltes. Einen alten VW Bus oder einen Käfer fand Sebastian schon immer gut. So machte er sich auf die Suche. „Den ersten Käfer kaufte ich noch etwas blauäugig", gibt der Familienvater heute lächelnd zu. „Der sah zwar auf den ersten Blick ordentlich aus, aber leider war die Bodengruppe mit dem Häuschen verschweißt, und auch sonst war die Basis nicht wirklich gut!" Also, weg damit und nach etwas besserem Ausschau gehalten.

Foto: Alexander Karstens

Rackerte man sich früher noch in mühseliger Arbeit durch die Anzeigen einschlägiger Zeitungen, ist heute meist das Internet Weg und Ziel der Suchenden. So war es auch in diesem Fall. Im World Wide Web stieß Sebastian auf eine ganz frische Anzeige. Ein Typ, der eigentlich Porsche Sportwagen nach Schweden verkauft, wollte auf der Rücktour nicht mit leerem Hänger fahren und brachte deshalb den 57er-Käfer aus dem hohen Norden mit zurück. Nun schlummerte das gute Stück in einer Hamburger Tiefgarage und wartete auf einen neuen Besitzer. Die Bilder versprachen schon recht viel. Leicht patiniert, aber in hervorragendem Zustand zeigte sich der nach den Werksferien 1957 gebaute Dickholmer. Kurz entschlossen schnallte Sebastian den Anhänger an und fuhr zum Verkäufer. Dort wurde er nicht enttäuscht, und nach kurzer Verhandlung war er der neue Eigentümer des Volkswagens.

Schon auf der Rückfahrt fing unser Mann an, das Lastenheft auszufüllen. Genau wie sein Golf 3 sollte auch der Käfer ein reines Show Car werden. Verchromte Achsen, komplett gecleant, fancy Paint Job – das volle Programm halt. Kaum abgeladen, ging es auch schon ans Zerlegen des Oldies. Die Substanz stellte sich wie erwartet als sehr gut heraus. Lediglich die hinteren Endspitzen und die Wagenheberaufnahmen mussten geschweißt werden. Diese Aufgabe übernahm Kumpel Max. Umso mehr Zeit blieb Sebastian, sich um die Show-Car-Aspekte des Projekts zu kümmern. Achsteile, Drehstabsschwerter, Bremstrommeln und einiges mehr gingen zum Verchromer des Vertrauens. Nachdem die Rostschäden am Blechkleid beseitigt waren, war auch hier die Zeit gekommen, das Projekt auf das nächste Level zu heben. Mithilfe von Zinn wurden die Radkästen gecleant, jeder Schweißpunkt akribisch abgedeckt und verschliffen.

Foto: Alexander Karstens

Als zwei Radkästen bereits völlig eingeebnet und glatt wie ein Babypopo waren, kam der Break. „Inzwischen war mir auch noch ein T2a-Bus über den Weg gelaufen. Zusätzlich gab es noch ein paar weitere Projekte. Da war irgendwie keine Zeit mehr für den Käfer", erklärt Sebastian. Blank geschliffen und gut abgedeckt fing der kleine Volkswagen in der Ecke der Halle an zu verstauben.

Im Gegensatz zum Käfer machte der VW Bus dafür langsam, aber sicher Fortschritte. Sven Peters, der Sebastian beim T2a-Projekt mit Rat und Tat zur Seite stand, fragte eines Tages, was denn jetzt eigentlich mit dem Käfer sei. „Ja, an dem müsste man eigentlich auch mal weitermachen", gab es zur Antwort. „Soll ich mal den Sven Thomsen fragen?", konterte Sven Peters daraufhin. Gar keine schlechte Idee, überlegte Sebastian. Und auch Sven Thomsen hatte Bock. Man setzte sich zusammen, und das Käfer-Projekt nahm wieder an Fahrt auf. Doch was war mit dem ursprünglichen Gedanken, den Dickholmer als reines Show Car aufzubauen? „Inzwischen hatte ich mir überlegt, dass der Käfer auf jeden Fall voll nutzbar bleiben sollte", erinnert sich unser VW-Fan. „Die Autos sind inzwischen viel zu selten und wertvoll, um sie zu verbasteln!"

Foto: Alexander Karstens

Die Projektanforderungen wurden also neu definiert. So originalgetreu wie möglich. Alles rückrüstbar. Kein Schnickschnack. Die originale Grundoptik sollte erhalten bleiben. Komplett verdeckter Einbau eines Luftfahrwerks.
Mit neuem Elan ging es nun weiter. Die zuvor gecleanten Radkästen befreite man vom aufgetragenen Zinn und stellte die Werksoptik wieder her. Die anschließende komplette Lackierung im originalen Farbton Lichtbronze-Metallic übernahm die Lackiererei Schmitz & Gausepohl in Stade. Auch Motor- und Kofferraum lackierten die Profis voll mit aus.

Die Bodengruppe bekam dagegen tief glänzendes Schwarz ab. Als Geschenk zur Hochzeit von Chassis und Karosse gab es sämtliche Schrauben und Montagematerial neu. Die zuvor verchromten Achsteile und Bremstrommel lackierte unser Team entweder in Schwarz oder ließ sie gleich pulvern.
Sven Thomsen kümmerte sich inzwischen um den 30-PS-Motor und revidierte ihn komplett. Alle Anbauteile wurden gesäubert und frisch lackiert oder gepulvert. Für etwas mehr Fahrkomfort gab es ein vollsynchronisiertes Getriebe neueren Baujahrs, welches vor dem Einbau gestrahlt wurde.
Nicht unbedingt für den Fahrkomfort, aber umso mehr für die Optik durfte ein komplettes Luftfahrwerk von Volksprojects einziehen. Dabei achteten die Jungs penibel darauf, dass für den nun schmaleren Vorderachskörper die Karosserie nicht bearbeitet werden musste. Selbstverständlich fanden auch Tieferlegungsachsschenkel ihren Weg an den Käfer. So können die BRM-Felgen in 4,5 und 6,5 Zoll tief in den Radkästen verschwinden. Bezogen sind die Rundlinge mit 145/65er- respektive 195/65er-Fulda-Eco-Control-Gummis.

Zum Bestaunen des Lufterzeugungskits müssen wir in den Innenraum. Doch auch hier ist erst mal nichts zu entdecken. Alles versteckt sich unter der lederbezogenen Hutablage. Die Steuerung der Fahrwerkshöhe erfolgt über das Level-IQ-Bedienelement, das ebenfalls unsichtbar im Handschuhfach ein neues Zuhause gefunden hat. Klar, dass auch die Sitze mitsamt der Rückbank in neuem Glanz erstrahlen. Die frisch im originalen Farbton Beige gepulverten Gestelle bezog die Autosattlerei Michel mit neuem Leder. Hier lässt es sich aushalten und das schöne Wetter bei so mancher Tour genießen. Es war wohl die richtige Entscheidung, kein reines Show Car zu bauen! Obwohl das Ergebnis qualitätsmäßig davon nicht wirklich weit entfernt ist!

Foto: Alexander Karstens

Sebastian Möller, VW Käfer, Baujahr 1957

Motor: originaler 30-PS-Motor, von Sven Thomsen komplett revidiert, alle Komponenten gereinigt und lackiert oder gepulvert

Karosserie: Karosserie komplett vom Fahrgestell abgehoben, hintere Endspitzen neu eingeschweißt, vollständige Lackierung im originalen Farbton Lichtbronze-Metallic

Fahrwerk: Luftfahrwerk von Volksproject, vorne mit Air Shocks – Luft-Dämpfer-Kombination, hinten mit Luftbälgen und Stoßdämpfer, Tieferlegungsachsschenkel, schmalere Vorderachse

Bremsen: originale Trommelbremsen rundum mit Neuteilen überholt und frisch lackiert

Getriebe: vollsynchronisiertes Getriebe aus neuerem Baujahr, vor dem Einbau sandgestrahlt

Auspuff: neuer Originalauspuff

Reifen/Felgen: 4,5 (ET14) und 6,5 (ET12) x 15 Zoll BRM-Felgen von JBW aus England, bezogen mit 145/65er- und 195/65er-Fulda-Eco-Control-Reifen

Interieur: Sitzgestelle gestrahlt und in Beige gepulvert, neu aufgepolstert und mit Leder im Originalfarbton bezogen, Seitenverkleidungen in den originalen Farben und Optik mit Leder bezogen, bewusster Verzicht auf Zusatzinstrumente oder Radio, Lufterzeugung versteckt hinter der Rückbank eingebaut, Bedienelement von Level-IQ im Handschuhfach

Dank an: Sven Thomsen – er war absolut federführend beim Zusammenbau, ohne ihn wäre der Käfer nicht wieder auf die Straße gekommen, Michel Daudeij von der Sattlerei Daudeij für die herausragende Arbeit an der kompletten Innenausstattung, Sven Peters von German Metal für die Versorgung mit Teilen und die permanente Unterstützung und an alle, die geholfen haben