VW T2b Pritsche, Baujahr 1976

Neues Leben für den Lastesel

05.07.2022 15:02 Uhr

Text: Sven Zimmermann I Fotos: Jan Bürgermeister

Schon als Jugendlicher und noch ohne Führerschein kaufte sich Sven Kühnert sämtliche VW-Magazine, die der Kiosk so hergab. Und schon damals hatte er den Traum, dass diese Hochglanzseiten einmal sein Auto präsentieren würden. Doch erst einmal musste der Lappen her. Als das geschafft war, brauchte es einen fahrbaren Untersatz, um von A nach B zu kommen – kein Show-Fahrzeug. Die Wahl fiel auf einen Lupo. Praktisch, flink und nicht zu teuer – das perfekte Anfängerauto. Viele Menschen wären an dieser Stelle glücklich – und unsere Story wäre beendet. Aber wir Autoverrückten, Schrauber und Gear Heads sind da etwas anders. Wir können unsere Fahrzeuge einfach nicht so lassen, wie sie aus dem Werk gekommen sind. Meist beginnt es ganz harmlos. „Diese Radkappen sind einfach hässlich." Oder: „Etwas tiefer sehe die Karre bestimmt besser aus!" In besonders harten Fällen – das Kaufen und Lesen von VW-Magazinen, bevor man überhaupt einen Führerschein hat, ist hier ein starkes Indiz – führt es dazu, dass das ehemalige Alltagsfahrzeug zur Show mutiert und nicht mehr für den täglichen Einsatz taugt. Ihr werdet es erraten, genauso ist es dem Lupo von Sven ergangen. „Für den täglichen Einsatz musste einfach wieder etwas Praktischeres her. Ich hab mir dann erst mal einen Golf 2 gekauft", lacht der heute 40-Jährige.

Foto: Jan Bürgermeister

Der Lupo war so gut, dass sich schließlich auch die Presse für den Wagen interessierte und das gute Stück für ein Magazin abgelichtet wurde. „Das freute mich damals natürlich sehr", erinnert sich Sven. „Einziger Wermutstropfen: Es war nicht die VW SPEED! Mein Traum war es eigentlich, ein Auto von mir mal auf den Seiten der VW SPEED zu sehen." Also nicht aufgeben und weitermachen! Ungebändigter Tatendrang führte dazu, dass auch der neue Alltagswagen nicht lange original blieb. Ein Faltdach vom Renault Twingo hier, ein GTI-Motor da, und schon steckte Sven im nächsten Projekt. „Trotz des Spaßes am Schrauben am Golf merkte ich, dass es Zeit für etwas anderes war", erklärt der gelernte Industriemechaniker. „Mir stand der Kopf nach etwas Luftgekühltem."

Ein paar Kumpels hatten VW Busse, und die weckten das Interesse von Sven. So machte er sich auf die Suche. Doch diese stellte sich schwieriger dar als gedacht. Zu schlecht, zu teuer oder schlichtweg verbastelt. Schließlich sprach ihn ein Bekannter an, dass er eine T2b-Pritsche aus Griechenland besorgen könnte. Leider gab es nur ein paar Bilder von dem 1976 gebauten Volkswagen. Ein Fenster-Bus wäre Sven zwar lieber gewesen, aber eine Pritsche ist definitiv das seltenere Modell. Die Vereinbarung, das gute Stück mit frischem TÜV und H-Abnahme zu übernehmen, überzeugte unseren Mann schließlich. Was soll da schon schiefgehen! Zur Finanzierung des Lastenesels musste sich Sven leider von seinem Lupo trennen. Ebenso mussten der Zweier-Golf und eine Vespa für das neue Projekt weichen. Die ersten Ausfahrten mit dem Bus im Originalzustand machten den Trennungsschmerz allerdings erträglich. Schnell stellen sich jedoch zwei Dinge heraus. Erstens zeigte sich Svens Drang, Fahrzeuge nicht lange im Werkszustand zu belassen, und zweitens hatte man bei der Instandsetzung des Busses – Restaurierung ist hier definitiv das falsche Wort – in Griechenland sehr viel „improvisiert". Zum Beispiel funktionierten die griechischen Mechaniker in Ermangelung einer passenden Benzinleitung einfach eine alte Bremsleitung um. So konnte das natürlich auf keinen Fall bleiben. Und wenn man schon mal am Schrauben ist, kann man auch gleich noch eine drei Zoll verschmälerte Vorderachse und rote Konis rundum einbauen. Der Stance war damit erst mal geklärt. Über die nächsten ein, zwei Jahre passte unser Mann die Pritsche immer weiter seinen Vorstellungen an. Doch auch immer mehr Mängel traten an den Tag. „Irgendwann war klar, ich muss den Bus einmal weitestgehend zerlegen und komplett neu aufbauen", erzählt Sven weiter.

Foto: Jan Bürgermeister

In einer angemieteten Scheune ging es der damals 44 Jahre alten Pritsche ans Leder. „Der Look des VW sollte eine Mischung aus Surfer- und Hot-Rod-Style werden", erklärt uns der Schrauber. Doch zuerst mussten die Rostschäden beseitigt werden. Kumpel Daniel Ellinger hatte dafür einiges zu schweißen. Der Radlauf hinten links, Bereiche der Schweller und der eine oder andere Querträger mussten verarztet werden. Auch an den beiden vorderen Radläufen gab es Schweißarbeiten. Diese nutzte das Team allerdings gleich, um die Radhäuser gut sieben Zentimeter höherzulegen. Mehr Platz für die Tieferlegung. Nach Abschluss der Karosseriearbeiten spritzte die Lackiererei Dürr die Pritsche vollständig im Originalfarbton RAL 2010 Signalorange. Auf dem fast frischen Lack durfte sich nun Alexander Knöhr von Airbrush Lui verewigen. Mit ruhiger Hand zog er seine Linien und machte den T2B mit seinen Pinstripes zum Unikat. Das Pin-Up-Garage-Logo auf den Türen ist allerdings eine gedruckte Folie. Weitere liebevolle Details weisen deutlich darauf hin, dass die Zeiten des Volkswagens als schnödes Arbeitstier vorbei sind. Dank des gewonnenen Platzes in den Radkästen konnte die Fahrzeughöhe mithilfe einer nun vier Zoll schmaleren Achse von Siggis Aircooled Parts und Tieferlegungsachsschenkeln weiter reduziert werden, ohne dass es den originalen 5,5-x-14-Zoll-Stahlfelgen mit den 175/70er-Gummis zu eng wird. Für hinten gab es mächtige 205/70er-Reifen auf umgeschweißten Stahlfelgen mit den Maßen 7 x 14 Zoll ET 25. Das Heck zieren amerikanische Rückleuchten mit roten Blinkergläsern. Die Ladefläche ist mit Holzleisten veredelt. Die Stoßstangen tragen seltene Overrider mit dicker Gummileiste. Das Dach der Kabine wird von einem Dachträger gekrönt, und eine stylische Sonnenschute beschattet den Innenraum.

Foto: Jan Bürgermeister

Apropos Innenraum: Auch hier erinnert nichts mehr an die langen Dienstjahre auf griechischen Baustellen. Durch die Erweiterung der Radkästen passten die originalen Sitze nicht mehr. Frank Barkmann stellte eine neue, durchgängige Sitzbank her und bezog diese auch gleich mit schickem und robustem Kunstleder in Beige und Braun. Das Armaturenbrett hinter dem in Beige lackierten Lenkrad ist in Wagenfarbe gehalten und auf das Modell vom T2a samt Drehzahlmesser zurückgerüstet. Der EMPI-Schalthebel mit Tiki-Knauf und eine entsprechende Figur auf dem Armaturenbrett sorgen zusammen mit der Blumenkette am Spiegel für Surffeeling.

Die ganze Optik der Pritsche schreit förmlich Sommer, Sonne, Meer und sorgt umgehend für gute Laune! Das überzeugte auch die Redaktion und macht für Sven einen langen Traum nun endlich wahr ...

Foto: Jan Bürgermeister

Sven Kühner, VW T2b Pritsche, Baujahr 1976

Motor: serienmäßiger 1600er-Motor, gereinigt und optisch aufgewertet

Karosserie: Einzelkabine mit Ladefläche (Pritsche), Radlauf hinten links, Bereiche der Schweller, Querträger geschweißt, vordere Radkästen für mehr Freiraum für die Tieferlegung erweitert, lackiert in Signalorange RAL 2010, Pinstripes von Alexander Knöhr – Airbrush Lui, Pin Up Garage-Logo auf den Türen, Stoßstangen-Hörnchen (Overriders), Sonnenschute, Holzleisten auf der Ladefläche

Fahrwerk: vier Zoll verschmälerte und verstellbare Vorderachse von Siggis Aircooled Parts, Tieferlegungsachsschenkel, rote Konis rundum
Bremsen: originale Scheibenbremsen vorne, Trommel hinten

Getriebe: originales 4-Gang-Getriebe

Auspuff: originaler Auspuff

Reifen/Felgen: vorne originale Felgen in 5,5 x 14 mit 175/70er-Reifen, hinten umgeschweißte Stahlfelgen auf 7 x 14 (ET25) mit 205/70er-Reifen

Interieur: speziell angefertigte, durchgängige Sitzbank, bezogen mit Kunstleder in Beige und Braun, Diamond-Stich, Serien-Lenkrad beige lackiert, T2a-Instrumente mit Drehzahlmesser, Beckengurte, EMPI-Schalthebel mit Tiki-Kopf, Tiki Dashboard-Figur, Holz-Türpins,

Car-Hi-Fi: Becker Mexiko mit Mono-Lautsprecher

Danke an: vor allem an meine Lebensgefährtin Sarah, dafür, dass sie das alles mitmacht! Thorsten Glück von GTS Perfomance, MW Wheels, René von Siggis Aircooled Parts, Alexander Knöhr von Airbrush Lui, Lackiererei Dürr, Frank Barkmann für die Innenausstattung, Fahrzeugaufbereitung Schneider, Daniel, Tobi und alle, die geholfen haben